Am letzten Donnerstag (23. März) wurde final zum Hauhalt der Gemeinde Senden beraten. Nach intensiven mehrmonatigen Debatten sowie regem Austausch zwischen den Fraktionen und der Verwaltung, ging es nun um die Beschlussfassung. Nur eine Fraktion stimmte dem Haushaltsentwurf nicht zu. Mehr Informationen zum Haushalt der Gemeinde Senden finden Sie hier: https://www.senden-westfalen.de/haushalt
Die Rede unseres Fraktionsvorsitzenden Achim Peltzer
(Es gilt das gesprochene Wort)
Einstieg
Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,
die SPD – Fraktion wird dem Haushaltsentwurf in der vorliegenden Fassung vollumfänglich zustimmen. Alles andere wäre ja nach unserem Abstimmungsverhalten in den Fachausschüssen auch eine Überraschung.
Kommunalpolitik in Zeiten von Krieg und Krisen
Man kann in diesen Zeiten zu keinem Thema – auch nicht zum Haushalt der Gemeinde Senden – eine Rede halten, ohne auf den schrecklichen Krieg in der Ukraine zu sprechen zu kommen. Aber auch nicht ohne Erwähnung des furchtbaren Erdbebens in der Türkei und Syrien, dessen ebenfalls dramatische Folgen uns im Zuge der täglichen Katastrophenberichterstattung vermeintlich schon wieder aus dem Blick geraten.
Man muss sich diese Ereignisse und das Leid, das sie für die betroffenen Menschen bedeuten und das den allermeisten von uns denke ich gar nicht vorstellbar ist, aber immer wieder vor Augen führen. Damit wir in unserer Solidarität und Hilfe für die Betroffenen nicht nachlassen, aber auch, damit die Probleme, die wir teilweise diskutieren, mal etwas relativiert werden.
Und: Beide Ereignisse haben – so banal das mit Blick auf das große physische und psychische Leid der Betroffenen klingen mag – auch Auswirkungen auf unseren Haushalt.
Seit dem Überfall auf die Ukraine sind Millionen Menschen im eigenen Land oder ins Ausland geflüchtet, über 1 Millionen davon nach Deutschland.
Das führt auch in Senden zu einigen Herausforderungen, Stichworte sind hier insbesondere Wohnraum, Kinderbetreuung, Schulbesuch und Einiges mehr.
Energie
In der Energieversorgung ist nichts mehr wie es war. Abgesehen von der aktuell durch verschiedenste Maßnahmen ganz offensichtlich sichergestellten Versorgungssicherheit sind insbesondere die Energiepreise auf und davon und haben die Inflation in ungeahnte Höhen getrieben. Mit enormen Auswirkungen nicht nur auf die privaten, sondern auch die öffentlichen Haushalte. Allein für die Energieaufwendungen der kommunalen Liegenschaften nebst Straßenbeleuchtung rechnet die Verwaltung mit Mehrkosten im Vergleich zum Vorjahr von rd. 1 Mio. €.
Während wir die Corona – Pandemie und deren Auswirkungen wirtschaftlich offenbar besser verkraftet haben als vorhergesagt, dürfte der Ukraine – Krieg langfristige Folgen haben, auf die wir uns auch in Senden werden einstellen müssen.
Zeitenwende
Wie immer man zu dem Begriff der sog. Zeitenwende steht: Wir können die Augen nicht davor verschließen, dass die Welt, wie wir sie bis zum 24.2. des vergangenen Jahres kannten, auf Jahre, vielleicht auf Jahrzehnte eine andere sein wird. Wohl zu Recht wird jetzt die Rückbesinnung auf eigene Stärke und eigene Fähigkeiten, auf möglichst große Autarkie gefordert. Bund und Länder machen sich an eine Wiederertüchtigung der Bundeswehr, den Wiederaufbau eines funktionierenden Katastrophenschutzes, die Schaffung der erforderlichen Infrastruktur für die bundesweite Versorgung mit erneuerbaren Energien und Vieles mehr. Das alles kostet sehr, sehr viel Geld. Und Geld wird ja nicht nur für die Schaffung neuer Infrastruktur, sondern auch für den Erhalt oder besser die Sanierung einer in weiten Teilen maroden Infrastruktur benötigt. Und nahezu täglich kommen neue Forderungen, wo und was der Staat noch alles zusätzlich mit Geld fördern sollte. In Zeiten, in denen wir wohl nicht mehr mit den gewohnten wirtschaftlichen Steigerungsraten rechnen können, wird man sehen müssen, welche Auswirkungen sich hieraus für die Finanzierung der Kommunen (Schlüsselzuweisungen, Zuschüsse, Projetförderung etc.) ergeben. Ob für neue Umgehungsstraßen – abgesehen von grundsätzlichen umweltpolitischen Erwägungen – hier noch ein finanzieller Spielraum besteht, bezweifeln wir. Und innerörtliche Verkehrsprobleme allein durch den Bau von Umgehungsstraßen zu lösen ist nicht mehr zeitgemäß. Wir setzen stattdessen auf intelligentere und nachhaltigere Lösungen, um den berechtigten Anliegen von Straßenanliegern gerecht zu werden und bieten allen ernsthaft Interessierten eine ehrliche Mitarbeit an. Wir lassen uns aber nicht verunglimpfen und ich kann auch nicht sehen, wie manche Veröffentlichung für eine zukünftige sachgerechte Diskussion hilfreich sein soll. Und ich erlaube mir auch daran zu erinnern, dass das sogenannte „Bündnis gegen Ottmarsbocholt“ mit seiner Ratsmehrheit die in Ottmarsbocholt gewünschte versuchsweise zusätzliche ÖPNV -Anbindung an den Bahnhof in Davensberg trotz nicht unerheblicher Kosten und gegen Bedenken aus Verwaltung und RVM erst ermöglicht hat.
Haushaltslage
Zurück zum Haushalt: Bei allen Prognosen scheint es mir so zu sein, dass man derzeit gar nicht genau einordnen kann, wie es um die allgemeine wirtschaftliche Lage von Bürgerinnen und Bürgern, aber auch der Gemeinde Senden selbst bestellt ist. In allerlei Warnungen mischen sich nämlich immer wieder auch überraschend viele positive oder zumindest optimistische Nachrichten, z. B. aus den Bereichen Touristik und Restauration. Auch unsere eigene Haushaltslage stellt sich ja zu Beginn des Jahres 2023 viel besser dar, als noch vor einem Jahr prognostiziert. So schließt das Jahr 2022 statt mit dem veranschlagten Jahresfehlbetrag nunmehr voraussichtlich mit einem Plus von rd. 4 Mio. € ab. Der prognostizierte Fehlbetrag für 2023 beträgt nach Isolierung der Corona- und Ukraine- bedingten Mehrkosten rd. 2,8 Mio., allerdings schieben wir dann rd. 7 Mio. € Isolierung vor uns her. Das wird uns in den nächsten Jahren noch beschäftigen.
Jedenfalls sind wir vor einigen Wochen im Arbeitskreis Haushaltskonsolidierung nach Austausch über die aktuellste Entwicklung und die bekannten relevanten Haushaltseckdaten ohne konkrete Beratungsergebnisse auseinander gegangen. Warum? Weil alle der Auffassung waren, dass sich die wirtschaftliche Situation der Gemeinde derzeit noch so positiv darstellt, dass es kurzfristiger Sparmaßnahmen oder gar Einschnitten aktuell noch nicht bedürfe. Das gilt insbesondere für die freiwilligen Leistungen, die immerhin einen Betrag von über 1 Mio. € ausmachen.
Wir wissen also nicht, wie sich die Kommunalfinanzen und damit die Rahmenbedingungen unseres Haushalts und unser eigener finanzpolitischer Spielraum tatsächlich zukünftig entwickeln werden.
Inflation und Personalnot in Kitas, Cabrio etc.
Dennoch: Nicht nur Energie hat heute und in Zukunft einen höheren Preis. Insgesamt haben wir es mit einer hohen Inflation zu tun und für nicht wenige Menschen auch in unserer Gemeinde bedeutet das einen herben Wohlstandsverlust. Auch hieraus werden sich in den kommenden Jahren u. U. zusätzliche Belastungen für unseren Haushalt ergeben.
Im Übrigen treffen die allgemeinen Preissteigerungen aber auch uns. Nicht nur private Bauherren, auch die Gemeinde Senden erlebt, dass die Kostensteigerungen beim Bau, unterbrochene oder gestörte Lieferketten, der Zinsanstieg, die Inflation sowie die daraus zwangsläufig resultierende Steigerung auch von Sach- und Personalkosten bei unseren Projekten zu teilweise enormen Kostensteigerungen führen. Und als wäre das alles nicht genug, trifft uns in praktisch allen Bereichen der Fach- und Arbeitskräftemangel. Die Auswirkungen spüren wir ganz aktuell: Dass nicht allen angemeldeten Kindern auf Anhieb ein KiTa – Platz zugesagt werden konnte, ein absolutes Novum für Senden. Dabei haben wir in den letzten Jahren vermeintlich gut vorgesorgt und die baulichen Voraussetzungen für eine gute Betreuung der Kleinsten geschaffen. Aber wenn in den Einrichtungen das entsprechende Fachpersonal fehlt, dann haben wir ein Problem. Zurzeit scheint es so, dass für die allermeisten bisher unversorgten Kinder doch noch eine Lösung gefunden werden kann. Vielen Dank von dieser Stelle aus an alle, die dabei mitgeholfen haben.
Übrigens nicht nur in den Kitas. Auch beim Cabrio – Bad müssen wir um ausreichend fachlich versiertes Personal besorgt sein. Mit Wertschätzung, einem guten Arbeitsklima und insbesondere einer besseren Bezahlung müssen wir dafür sorgen, dass die Besucherinnen und Besucher gerne (wieder) zu uns kommen und nicht durch Schließungen oder unübersichtliche Öffnungszeiten abgeschreckt werden. Das muss schon vor dem Hintergrund der nicht unerheblichen Zuschussbeträge, die wir in den Betrieb des Bades investieren, unser Anspruch sein.
Auswirkungen auf die Verwaltung
Meine Damen und Herren, die finanziellen und wirtschaftlichen Herausforderungen meistern und trotzdem die laufenden Transformationsprozesse der Digitalisierung, der Energie – und Mobilitätswende, des klimaneutralen Umbaus – neben dem laufenden Geschäft – zu bewerkstelligen, das stellt uns nicht nur vor finanzielle Aufgaben. Wir stehen insbesondere auch vor erheblichen personellen Herausforderungen im Rathaus. In unserer Verwaltung sehen wir an vielen Stellen bereits heute, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Grenze des Möglichen arbeiten. Daher scheint es nach unserer Auffassung auch nicht sinnvoll, die ohnehin hohe Arbeitsdichte und fehlende personelle Ressourcen durch das Beschließen immer neuer Konzeptentwicklungsaufträge noch zu verstärken. Vielmehr sollten die zur Verfügung stehenden Personalkapazitäten jetzt erst einmal dazu genutzt werden, bereits vorhandene Konzeptionen abzuarbeiten, bevor wir der Verwaltung neue Arbeitsaufträge erteilen.
In diesem Zusammenhang gehört dann auch die sich in letzter Zeit eingeschlichene Praxis kritisch betrachtet dort, wo originär zuständige Aufgabenträger nicht oder vermeintlich nicht zeitnah genug tätig werden können oder wollen, unserer Verwaltung die Planungsarbeiten zu übertragen. Selbst wenn der Personalaufwand später finanziell vollständig ausgeglichen werden sollte: Es bleiben unsere personellen Ressourcen, unsere Mitarbeitenden, die andere Aufgaben in dieser Zeit nicht erledigen können. Und wenn wir feststellen, dass bei der Planung und Ausführung unserer eigenen Bauvorhaben immer häufiger baulich, als Folge aber eben auch finanziell nachgearbeitet werden muss, sollte uns das zu denken geben. Auch für Überwachung, Begleitung und Kontrolle von Bauvorhaben und externer Planungsbüros müssen die Beschäftigten der Fachbereiche die nötige Zeit haben.
Schulentwicklung
Gerade haben wir hier die Fortschreibung des Schulentwicklungsplans beschlossen.
Zunächst ist positiv festzuhalten, dass wir uns in einem intensiven Beratungsverfahren auf einen gemeinsamen Weg gemacht haben, um das bestmögliche Schulangebot für die Schulkinder vor Ort zu sichern. Im Wiederholungsfall sollte man das Verfahren im Hinblick auf das originäre Wesen eines Workshops aber anpassen. Ein Workshop ist eben keine zusätzliche Fachausschusssitzung.
Natürlich bleiben Fragen und diese werden uns auch bei der Umsetzung der einzelnen Maßnahmen weiter begleiten. Immerhin fällt lt. Bertelsmann Stiftung die Gemeinde Senden in die Kategorie „Gemeinde in einer wirtschaftlich dynamischen Region“. Ob vor diesem Hintergrund tatsächlich davon ausgegangen werden kann, dass die demographische Entwicklung nicht auch zukünftig von weiteren Zügen geprägt sein wird, darf hinterfragt werden. Insoweit sind die jetzt zugrunde gelegten Schülerzahlen der nächsten Jahre aus unserer Sicht mit einer gewissen Vorsicht zu betrachten, insbesondere auch der mittelfristige Ausblick. Was, wenn 7 Züge eines Tages doch nicht mehr ausreichen sollten. Die Frage eines weiteren oder neuen Schulstandorts halten wir noch nicht für alle Zeiten für ausgemacht.
Verkehrsversuch Herrenstraße und lebendiger Ortskern
Ein Punkt, der uns in den kommenden Wochen und Monaten auf jeden Fall noch intensiv beschäftigen wird, ist der Verkehrsversuch Fußgängerzone.
Im Zusammenhang mit der Umsetzung des ISEK im Ortskern und der Einrichtung des Verkehrsversuchs stellen wir uns der Aufgabe, die Mobilitätswende auch in den Sendener Ortskern hineinzutragen. Weniger Autoverkehr, mehr Aufenthaltsqualität. Ob der Versuch gelingt, wird wesentlich von der Akzeptanz unserer Bürgerinnen und Bürger abhängen. Im wahrsten Sinn des Wortes eine Abstimmung mit den Füßen. Wir als Gemeinde wollen alles tun, um dem Versuch zum Erfolg zu verhelfen.
Und selbstverständlich spielt dabei auch ein ausreichendes Parkplatzangebot eine Rolle. Ja, es gibt die Herausforderung, ausreichend Parkplätze in Laufnähe anzubieten. Deshalb halten wir auch den Ausbau der Parkplätze hinter der Kirche, wo bereits jetzt geparkt wird, für sinnvoll, auch mit Blick auf zunehmende Veranstaltungen im alten Zollhaus.
Der Anspruch darf aber nicht mehr sein, jederzeit mit seinem PKW vor jedes Geschäft in Senden vorfahren zu können. Bei einem so überschaubaren Ortskern ist es doch wirklich für die allermeisten möglich, sein Ziel in ein paar Minuten fußläufig aufzusuchen.
Mein persönlicher Eindruck ist, dass in den ersten Wochen das autofreie Stück der Herrenstraße bereits gut angenommen wird. Wir hoffen, dass trotz anfänglicher Skepsis auch die Mehrheit der dortigen Geschäftsinhaber*innen und Dienstleister*innen den Mehrwert dieser Maßnahme erkennen und unterstützen werden.
Es geht letztlich um nicht weniger als den Versuch, die Funktion des Ortskerns nachhaltig zu erhalten und zu stärken. Dabei hat man selbst in Städten mit einem unvergleichbar größeren Angebot erkannt, dass Anzahl und Vielfalt der Geschäfte nur ein Teil der Lösung sind. Wenn man jeden beliebigen Artikel – und wirklich jeden, nicht nur die örtlich vorhandene Auswahl – online bestellen kann, dann spielen Aspekte wie Aufenthaltsqualität und Einkaufserlebnis zunehmend eine große Rolle. Einkaufen, Eisessen, Schlendern, in der Außengastronomie einkehren. Das alles erwarten die Menschen heute von einem attraktiven Ortskern und das sollte unser gemeinsames Ziel sein.
Fazit
Zum Schluss darf ich mich im Namen meiner Fraktion meinen Vorrednern anschließen und mich bei dem Bürgermeister und den Angehörigen der Verwaltung sowie den Kolleginnen und Kollegen des Rates für die gemeinsame Arbeit der letzten 12 Monate bedanken.
Danke für Ihre Geduld.